Antworten zum Urheberrecht: Neue Pflichten für Webseitenbetreiber und Shops durch § 32d UrhG
§ 32d UrhG führt einmal wieder zu zahlreichen neuen Pflichten für Webseitenbetreiber und Shops und lässt zunächst darauf schließen, dass ab Juni 2023 zu jedem einzelnen Stockfoto umfassend Auskunft an die Urheber zu erteilen ist.
Glücklicherweise finden sich in § 32d Abs. 2 UrhG entsprechende Ausnahmeregelungen. Um diese jedoch zu „verstehen“ müssen wir zuerst den Sinn und Zweck dieser Regelung nachvollziehen.
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Zur Übersicht möchte ich hier den Gesetzeswortlaut aus dem deutschen Urheberrecht wiedergeben:
(1) Bei entgeltlicher Einräumung eines Nutzungsrechts erteilt der Vertragspartner dem Urheber mindestens einmal jährlich Auskunft über den Umfang der Werknutzung und die hieraus gezogenen Erträge und Vorteile. Die Auskunft erfolgt auf der Grundlage der Informationen, die im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsbetriebes üblicherweise vorhanden sind. Die Auskunft ist erstmals ein Jahr nach Beginn der Werknutzung und nur für die Zeit der Werknutzung zu erteilen.
(1a) Nur auf Verlangen des Urhebers hat der Vertragspartner Auskunft über Namen und Anschriften seiner Unterlizenznehmer zu erteilen sowie Rechenschaft über die Auskunft nach Absatz 1 abzulegen.
(2) Die Absätze 1 und 1a sind nicht anzuwenden, soweit 1.
der Urheber einen lediglich nachrangigen Beitrag zu einem Werk, einem Produkt oder einer Dienstleistung erbracht hat, es sei denn, der Urheber legt aufgrund nachprüfbarer Tatsachen klare Anhaltspunkte dafür dar, dass er die Auskunft für eine Vertragsanpassung (§ 32a Absatz 1 und 2) benötigt; nachrangig ist ein Beitrag insbesondere dann, wenn er den Gesamteindruck eines Werkes oder die Beschaffenheit eines Produktes oder einer Dienstleistung wenig prägt, etwa weil er nicht zum typischen Inhalt eines Werkes, eines Produktes oder einer Dienstleistung gehört, oder2.
die Inanspruchnahme des Vertragspartners aus anderen Gründen unverhältnismäßig ist, insbesondere wenn der Aufwand für die Auskunft außer Verhältnis zu den Einnahmen aus der Werknutzung stünde.
(3) Von den Absätzen 1 bis 2 kann nur durch eine Vereinbarung abgewichen werden, die auf einer gemeinsamen Vergütungsregel (§ 36) oder einem Tarifvertrag beruht. Im Fall des Satzes 1 wird vermutet, dass die kollektiven Vereinbarungen dem Urheber zumindest ein vergleichbares Maß an Transparenz wie die gesetzlichen Bestimmungen gewährleisten.
§ 32d UrhG – Auskunft und Rechenschaft des Vertragspartners
§ 32d UrhG wurde aufgrund der Transparenzpflicht gem. Artikel 19 der RICHTLINIE (EU) 2019/790 eingeführt.
Nähere Details zu dessen Einführung bietet Erwg. 75 der entsprechenden Richtlinie, wie folgt:
Da Urheber und ausübende Künstler in der Regel die schwächere Verhandlungsposition bei der Lizenzvergabe oder der Übertragung ihrer Rechte haben, benötigen sie Informationen, um fortlaufend bewerten zu können, wie sich der wirtschaftliche Wert ihrer Rechte im Vergleich zu ihrer Vergütung für die Lizenzvergabe oder die Rechteübertragung entwickelt, doch hier fehlt es häufig an Transparenz. […]
Erwg. 75 der RICHTLINIE (EU) 2019/790
Auch ist Artikel 19 Abs. 4 der RICHTLINIE (EU) 2019/790 beachtenswert, wie folgt:
Die Mitgliedstaaten können festlegen, dass die in Absatz 1 des vorliegenden Artikels genannte Pflicht keine Anwendung findet, wenn der Beitrag des Urhebers oder ausübenden Künstlers vor dem Hintergrund des Gesamtwerks oder der Gesamtdarbietung nicht erheblich ist, es sei denn, der Urheber oder ausübende Künstler legt dar, dass er die Informationen zur Ausübung seiner Rechte nach Artikel 20 Absatz 1 benötigt und zu diesem Zweck anfordert.
Artikel 19 Abs. 4 der RICHTLINIE (EU) 2019/790
Aus alledem folgt, dass die Einführung des § 32d UrhG die Rechtsdurchsetzung für Urheber vereinfachen soll. Hier allem voran dem Recht aus § 32a UrhG eine angemessene Vergütung zu erlangen.
§ 32d UrhG ist demnach vor allem relevant für Fälle in welchen durch die urheberrechtlich geschützten Werke bzw. Beiträge Einnahmen generiert werden. Hierzu möchte ich einige Beispiele nennen in denen mit Sicherheit eine Auskunftspflicht besteht:
- Texte: Erstellung einer Homepage und zahlreicher hochwertige Werbetexte und Artikel welche (direkt) Einnahmen generieren
- Bilder/Videos: Verwendung von Bildern/Videos in hochvolumigen (Werbe)Medien (z. B. TV, YouTube)
- Bilder/Videos: Verwendung von Bildern/Videos in Produkten welche weiter verkauft werden (z. B. Templates, Designs)
- Designs: Entwürfe und Designs für Produkte (z. B. Spielzeug) welche verkauft werden.
In Fällen einer Miturheberschaft, d. h. bei mehreren Urhebern muss in Anlehnung an § 32d Abs. 1 Nr. UrhG differenziert werden, ob der Beitrag des jeweiligen Urhebers „groß genug“ ist oder „lediglich nachrangig“ ist.
Am obigen Beispiel dürfte also in der Regel ein rein dekoratives Stockfoto zu einem selbst geschriebenen Artikel in den meisten Fällen als „nachrangiger Beitrag“ behandelt werden.
Der zweite Teil des § 32d Abs. 1 UrhG ist auf einen nachträglichen Vergütungsanspruch ausgerichtet (wie oben bereits erwähnt). Ziel der Regelung ist es also dem jeweiligen Urheber eine angemessene Vergütung für seinen Beitrag zukommen zu lassen. Insbesondere in Fällen, in welchen sich erst (Jahre) später herausstellt, dass ein bestimmter Beitrag zu überragenden Verkaufszahlen/Einnahmen geführt hat.
Die Auskunftspflicht soll hier die Rechte des Urhebers sichern, indem die Nutzer dieser Rechte (z. B. Webseitenbetreiber/Shops) von selbst eine Auskunft erteilen müssen. Es ist daher davon auszugehen, dass die unzulässige Nichtbeachtung dieser Auskunftspflicht – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zu einer Nachvergütung – zu einer erheblichen Vertragsstrafe führen wird (ähnlich der Nichtnennung des Urhebers – 100% Aufschlag).
Achtung: Aktuell ist es vollkommen unklar, ob die Regelung auch für Arbeits- und Dienstverhältnisse anzuwenden ist. Bei besonders hohen (unerwarteten) Einnahmen sollte jedoch von einem Nachvergütungs- und Auskunftsanspruch ausgegangen werden.
Was heißt das nun für die Praxis?
§ 32d Abs. 1 UrhG verpflichtet alle Vertragspartner von Urhebern zu einer jährlichen Auskunft.
§ 32d Abs. 2 Nr. 2 UrhG kommt in 99,9% der Fälle nicht als Ausnahmegrund in Betracht. Es ist stets verhältnismäßig über bereits bekannte Informationen Auskunft zu erteilen.
§ 32d Abs. 3 UrhG verbietet in den meisten Fällen einen vertraglichen Ausschluss der Auskunftspflicht. Insbesondere sofern keine Vergütungsvereinbarungen für die Zukunft unter Einbeziehung von z. B. besonders hohen Einnahmen geschlossen wurden.
§ 32d Abs. 2 Nr. 1 UrhG ist der einzige verfügbare „Rettungsanker“ für Webseitenbetreiber. Eine Auskunft ist nur dann nicht notwendig, wenn der Beitrag am Gesamtwerk/produkt lediglich nachrangige Bedeutung hat.
Weitere Beispiele:
Die nachfolgenden Beispiele beziehen sich lediglich auf den Auskunftsanspruch.
Sie verkaufen einen handelsüblichen Besen mit Millionenumsätzen, da Ihre Werbematerialien (Bilder und Texte) die besten auf dem Markt sind. -> Auskunft zu erteilen.
Begründung: Der Erfolg hängt mit den Bildern, Werbetexten zusammen.
Sie verkaufen einen handelsüblichen Stift in normalen Mengen und nutzen hierfür Produktfotos. -> Auskunft eher nicht zu erteilen.
Begründung: Die Verwendung von Produktfotos war bekannt. Es ist nicht zu erwarten, dass die Verkaufszahlen des handelsüblichen Stifts von den Produktfotos derart stark beeinflusst werden.
Sie haben einen Fotografen mit der Erstellung von Produkfotos eines Fahrrads beauftragt und das Fahrrad wird zum internationalen Bestseller -> Auskunft eher nicht zu erteilen.
Begründung: Ein Fahrrad ist ein komplexes Produkt und das Produktfoto eher nachrangiger Bedeutung im Vergleich zu den Eigenschaften des Fahrrads. Die Nutzung als Produktfoto war zu erwarten.
Sie haben Ihren Bekannten mit der kostenlosen Erstellung von Produktfotos eines Fahrrads beauftragt und das Fahrrad wird zum internationalen Bestseller -> Auskunft eher nicht zu erteilen
Begründung: Ein Fahrrad ist ein komplexes Produkt und das Produktfoto eher nachrangiger Bedeutung im Vergleich zu den Eigenschaften des Fahrrads. Die Nutzung als Produktfoto war zu erwarten. Achtung: Ein Auskunftsanspruch ist dennoch durchsetzbar, sofern nachträglich eine angemessene Vergütung gefordert wird.
Sie haben Ihren Bekannten mit der kostenlosen Erstellung des Designs des Fahrrads beauftragt und das Fahrrad wird zum internationalen Bestseller -> Auskunft zu erteilen
Begründung: Das Design des Fahrrads ist in der Gesamtschau ein wesentlicher Bestandteil des Produkts.
Sie haben einen Designer mit der Erstellung des Produktdesigns für ein Fahrrad – nach äußerst genauen Vorgaben – beauftragt und das Fahrrad wird zum internationalen Bestseller -> Auskunft eher nicht zu erteilen.
Begründung: Der Designer hat nach Ihren genauen Vorgaben gehandelt und ist daher – wenn überhaupt – nur zu einem sehr geringen Teil Miturheber am Design geworden.
Sie haben einen Designer mit der Erstellung des farblichen Produktdesigns für ein Fahrrad beauftragt und das Fahrrad verkauft sich durchschnittlich -> Auskunft nicht zu erteilen.
Begründung: Die Verwendung des Produktdesigns zur Herstellung und zum Verkauf des Produkts ist zu erwarten. Die Auswahl der Farben ist in der Gesamtschau eher weniger beachtenswert.
Sie verkaufen xy Anlagen und nutzen zur Neukundengewinnung informative Artikel im Internet. Ohne diese informativen Artikel hätten Sie keine Neukunden. -> Auskunft zu erteilen.
Begründung: Die Artikel sind wesentlicher Bestandteil für die Neukundengewinnung und folglich für alle Umsätze des Unternehmens.
Sie haben sich günstig ein Werbevideo erstellen lassen und nutzen dieses Video nun in Werbekampagnen auf YouTube/Amazon mit relativ hohen monatlichen Budgets -> Auskunft zu erteilen
Begründung: Eine derartige Nutzung war durch den Urheber nicht zu erwarten und die besonders hohen Werbebudgets sprechen dafür, dass das Werbevideo einen wesentlichen Beitrag zum Gesamtwerk leistet.
Sie haben sich den Aufdruck eines Spielzeugteppichs designen lassen und verkaufen diesen Teppich äußert gut -> Auskunft zu erteilen.
Begründung: Das Motiv des Spielzeugteppichs ist ein wesentlicher Bestandteil des Produkts.
Sie haben sich ein Stockfoto gekauft und drucken das Stockfoto auf T-Shirts zum Verkauf. Sie verkaufen sehr viele T-Shirts -> Auskunft zu erteilen.
Begründung: Eine derart erfolgreiche Nutzung eines einfachen Stockfotos war durch den Urheber nicht zu erwarten.
Sie haben sich ein Stockfoto gekauft und drucken das Stockfoto zusammen mit anderen Fotos auf T-Shirts zum Verkauf. Das Stockfoto spielt nur eine untergeordnete Rolle in dem Motiv. Sie verkaufen sehr viele T-Shirts -> Auskunft eher zu erteilen.
Begründung: Das Stockfoto hat eine lediglich untergeordnete Bedeutung in dem Gesamtdesign/motiv.